Kritik an der Feier eines christlichen SedermahlsEin mail vom April 2014 Der Absender wünscht sich, dass seine Überlegungen ein Anstoß sein möge, der Segen bring: Wenn sich Juden darüber beschweren, daß Christen Ihnen Ihre Liturgie
"stehlen", indem sie am Gründonnerstag eine Art Passahmahl feiern, dann
übersehen sie, daß in Gottes Namen schon seit vielen tausend Jahren
liturgische Elemente übernommen und verändert werden. Es ist doch der
Schatz der "communio sanctorum", zu der nach neutestamentlichem
Verständnis nicht mehr nur, aber auch die Kinder Abrahams und Isaaks
gehören, daß sie auf Psalmen und Überlieferungen der Knesset
zurückgreifen kann. Auch Hillel und Schammai hatten verschiedene
Auffassungen darüber, was nach dem Willen dessen, der über uns ist,
dessen Name heilig ist, der alleine darüber entscheiden wird, wer ihm
gefällt, recht sei, und ich bin froh, daß ihre Gedanken heute noch
diskutiert werden. Aber wer ehrlich ist, der muß eingestehen, daß selbst
evangelisch-reformierte Gottesdienste und die Gebetsrufe von den Türmen
der Moscheen auf die Segensformeln zurückgehen, die uns der Talmud und
die Tefilot kol Pe überliefern. Israel geht es wie Josef, dem sein Vater
schöne Kleider schenkte. Seine Brüder waren so neidisch, daß sie ihn
töten wollten. Wie Josefs Brüder sind auch die Gojim bis heute oft
neidisch darauf, daß Gott ausgerechnet Juda segenete, und manche Juden
wollen dieses Vorrecht nicht teilen. Aber das Heil kommt von den Juden -
nicht nur der Profet Jesajahu, auch schon die Verheißung an Abram selbst
sah "alle Völker" als diejenigen an, die durch Abrahams Nachkommen
gesegnet würden. Daraus hat der Jude Saul von Tarsis, genannt Paulus
schon vor fast 2000 Jahren den Schluß gezogen, daß spätestens seit dem
Auftreten des Jesus von Nazaret und seinem Tod diese Verheißung erfüllt
sei. Saul von Tarsis hat im Römerbrief auch klar gemacht, daß es keinen
Unterschied in der "Heilsberechtigung" gibt und geben darf, denn es ist
Gottes Werk. Leider haben Christen und Moslems diese Mahnung zu selten
beherzigt. Juden allerdings auch. Wir müssen niemanden beschneiden, aber
wir wollen alle an Gottes Taten erinnern. Deshalb feiern wir
verschiedene Liturgien aus einer Wurzel, und das schließt nicht aus,
sich von Juden zu einem Sederabend einladen zu lassen. Es gibt nur einen
Gott, darin sind wir uns einig.
aus einem Brief Ich habe gegen diese Art der Feier erhebliche Bedenken: 1. Das Pessach-Mahl ist für den gläubigen Juden die höchste Feier des Jahres. Wenn wir als Nichtjuden diese Feier einfach übernehmen, feiern oder "nachspielen", verletzen wir nicht damit die Gefühle gläubiger Juden? Was würden wir dazu sagen, wenn etwa eine evangelische Gemeinde am Gründonnerstag das Abendmahl feiern und danach zur Erinnerung an das, was der Abendmahlsfeier vor der Reformation vorausging, eine Messe mit allen Texten und allem Zubehör feiern oder nachspielen würde? 2. Für uns Christen ist an die Stelle der Paschafeier die Eucharistie getreten. Wird dieser Umstand nicht verdunkelt, wenn wir nach der Eucharistiefeier noch einmal die Vorläuferform praktizieren? 3. Die höchste Form der Paschafeier des Neuen Bundes ist die
Osternacht. In dieser Nacht wachen wir, wir hören die Worte der Heiligen
Schrift, die uns die frohe Botschaft von der Errettung des Volkes Israel
aus der Knechtschaft Ägyptens und damit unsere Rettung von Tod und Sünde
durch die Auferstehung Christi verkünden. Diese Nacht ist für uns der
Vorübergang des Herrn, mit dem wir dann das österliche Mahl feiern dürfen.
Wird die Bedeutung der Osternacht als der Feier unserer Erlösung nicht
verdunkelt und zu einer "Auferstehungsmesse" verkürzt (so wird die
Osternacht noch immer in manchen Ankündigungen bezeichnet), wenn am
Gründonnerstag eine "Paschafeier" vorausgefeiert wird? aus einem weiteren Brief: eher zufällig auf Ihrer web-site gelandet, habe ich mit Verwunderung den Ablauf Ihres Seders durchgelesen und mich gefragt, welchen Sinn eine Sederfeier für Christen wohl haben möge, die ja seit 2000 Jahren Tod und Auferstehung Jesu feiern und diese mit dem Seder in Verbindung zu setzen versuchen. Für mich ist es sehr befremdend, daß Christen auch heute nach einer blutigen Geschichte von 2000 Jahren nicht damit aufhören, uns Juden unserer Glaubenselemente zu berauben und sich neuerdings den Seder einzuverleiben versuchen. Ist dies die Fortsetzung der Verus Israel Theorie? Fehlt nur noch, daß sie gar Mazzot und Wein koscher le pessach zur "Sederfeier" verwenden. Jedenfalls dürfte so ein Seder, wie Sie ihn im Internet anpreisen, wohl kaum der Verständigung zwischen den Christen und uns Juden dienlich sein, da unsere intimsten Glaubensinhalte mit christlichem Gedankengut vermischt werden, wogegen ich mich in aller Schärfe wende, da hier ein Weg des Synkretismus beschritten wird, der nicht im Sinne jüdischer Weltauffassung ist. Wir Juden leben auf den Tag hin, an dem alle Völker der Erde den einen, einzigen G'tt anerkennen werden. Und ebenso wie wir Juden sind alle Menschen aufgefordert, an der Vervollkommnung der unvollkommenen Welt zu arbeiten. Wir Juden sind an 613 Ge- und Verbote gebunden während sie als Nichtjuden sieben ethischen Gebote verpflichtet sind, den sogenannten noachidischen Geboten. Ebensowenig wie ich als Jude niemals wichtige Elemente der christlichen Lehre übernehmen würde um sie in die jüdische Tradition einzupflanzen, erwarte ich auch von Ihnen und jedem Christen, daß Sie sich respektvoll jüdischen Elementen gegenüber zeigen. Sie können sich auf vielfältige Weise im Dialog zwischen Christen und Juden einbringen und ihn mit Sicherheit bereichern, aber bitte nicht mit einer nachgespielten Sederfeier, deren tiefen Inhalt in seiner ganzen Breite Sie als Christ wohl kaum je erfassen können, ebensowenig wie ich das Christentum in seinem Gesamtinhalt je vollkommen erfassen werde können. Dialog muß immer Spannungen aushalten können, weshalb Sie meine Worte
bitte nicht als destruktive Kritik aufnehmen wollen, sondern vielmehr als
eine besorgte jüdische Stimme, die der um sich greifenden Vereinnahmung
jüdischer Glaubensinhalte nicht tatenlos zusehen möchte.
ein E-Mail Im Zuge meiner Internet-Recherche für eine Unterrichtsstunde (bin Religionslehrerin für Volks- und Sonderschule) stieß ich auf ihre Seite. Mich befremdeten eigentlich an dem Ganzen nur die beiden kritischen Briefe: Haben die beiden Verfasser ganz vergessen, daß Jesus eigentlich Jude war? Dass unser christlicher Glaube nichts Anderes als eine "Unterform" des Judentums ist. Wir berauben weder die Juden um ihre Lehre, noch verfremden wir diese. Wir sollten uns eher daran erinnern, dass Jesus mit seinen Jüngern (als gläubiger Jude natürlich) ein Sedermahl gehalten hat - welches wir Christen heute als "Letztes Abendmahl" am Gründonnerstag feiern. Es wäre sicherlich gut, wenn wir uns als Christen unserer jüdischen Wurzeln erinnern und keiner dem anderen seinen "Glauben" wegnehmen oder verfremden will!
ein weiteres E-Mail .... Ich habe mich auch gefreut über die Sederliturgie, die Sie anbieten. Ich bin durchaus der Meinung, dass es erlaubt sei, eine Seder zu gestalten (vielleicht abgeändert), da Jesus Jude war und blieb bis in den Tod hinein. Ein Christentum, dass sich mit der Gestalt Jesu ernsthaft auseinandersetzt, wird versucht sein, die dogmatische Formen hinter sich zu lassen und das Jüdische betonen wollen. Gerade nach �Auschwitz� hat dieses Christentum mit seinen antisemitischen Auswüchsen kein Grund mehr, weitergeführt zu werden (obwohl das bekanntlich alle Kirchen noch tun und auch Evangelisationsgruppen den jüdischen Jesus weiterhin ignorieren). Unsere Abendmahlsfeier hat wenig mit dem jüdischen Hintergrund Jesu zu tun, sondern wahrscheinlich mehr mit einem hellenistischen Mysterienkult. ein weiteres E-Mail Oft wird vergessen, das sich Christen, Juden und Muslime auf den ursprünglichen Gott der Israeliten beziehen. Denselben Gott, der das Volk Israel aus Ägypten führte und dadurch die Entstehung dieser drei Religionen erst möglich machte, die sich später aus dieser ursprünglichen Religion entwickelten. Warum soll man dieses Ereignis, ohne dass es heute weder Juden, Christen noch Muslime geben würde nicht in allen daraus später entstandenen Religionen feiern dürfen? In allem Gegensatz in den Detailfragen sollten wir uns in den verschiedenen auf Jahwe basierenden Religionen auf die gemeinsamen Wurzeln besinnen und ein Miteinander der Gläubigen dieser Religionen fördern. Und da das Seder-Fest ein in allen diesen Religionen anerkannte Ereignis (den Auszug aus Ägypten) feiert, finde ich Ihren Vorschlag, dies auch in nichtjüdischen Kreisen zu feiern unterstützenswert. Damit nimmt niemand den Juden etwas weg, im Gegenteil, dieses Ereignis wird von mehr Menschen gefeiert. Je mehr die gemeinsamen Wurzeln dieser Religionen und der Glaube an denselben Gott, nennt man ihn nun heutzutage Jahwe, Allah oder Dreieiniger Gott, im Bewusstsein der Menschen wahrgenommen werden, umso mehr können Menschen dieser unterschiedlichen Richtungen miteinander in Frieden leben und die jeweils andere Auslegung von Regeln und Praktiken tolerieren. Im Christentum haben wir es ja heute so ziemlich geschafft, das sich die verschiedenen Auslegungen der Religion (Protestanten und Katholiken) nicht mehr wie im Mittelalter die Köpfe einschlagen (auch wenn dies z.B. in Nordirland noch nicht so lange her ist). Ziel sollte sein, ein solches Akzeptieren und einen Konsens auf den Glauben an denselben Gott auch in allen darauf basierenden Religionen zu erreichen. ein weiteres E-Mail Es ist nicht nur anmaßend und verletzend, wenn Christen Seder Feiern, es ist zudem auch noch dumm. Anmaßend und verletzend ist es deswegen, weil eine Feier begangen wird, die sich im Judentum erst in den letzten Jahrhunderten so entwickelt hat. Damit stiehlt man den Juden eine Tradition, man feiert nichts nach, was Jesus getan hat. Dumm ist es deswegen, weil viele es offensichtlich nicht wissen, obwohl sie es in der Bibel (Ex 12, Lev 3) nachlesen können: Wollten Sie Pessach so feiern, wie Jesus es gefeiert hat, sollten Sie ein junges Schaf oder ein junge Ziege nehmen, ihm vor dem Altar Ihrer Kirche die Halsschlagader durchschneiden, es vor dem Altar ausbluten lassen, von dem Blut auf den Altar spritzen, das Tier in der Kirche auf einem offenen Feuer grillen. Das Fleisch nehmen Sie mit nach Hause und essen dazu die ungesäuerten Brote und die bitteren Kräuter. Weil aber natürlich die Sederfeier sehr viel mystischer daherkommt und die Haggada für christliche Ohren auf Jesus hinweist, ist diese Feier natürlich interessanter. Dennoch bleibt es falsch, sie nachzuäffen. ein weiteres E-Mail Es ist sicher gut zu wissen, auf welcher Grundlage das Abendmahl basiert und welche Elemente zur einer jüdischen Pessachfeier gehören. Aber es ist religiöse Folklore, wenn die Feier der Einsetzung des Abendmahles am Gründonnerstag zur Sederfeier mutiert. Man kann das höchstens als Ausdruck einer zunehmenden Identitätslosigkeit und mangelnde Kenntnis theologischer und liturgischer Grundlagen der Abendmahlfeier im evangelischen Kontext deuten. Dass Jesus Jude war, das ist noch keine Begründung für eine Nachahmung der Sederfeier. Keiner käme auf den Gedanken zur Taufe auch eine Beschneidung vorzunehmen! Es muss festgehalten werden: Durch das Christusereingnis ist eine qualitativ völlig neue Deutung des Pessachfestes entstanden, die nicht verwässert werden darf - was auch von jüdischer Seite nicht gern gesehen wird. Denn grundsätzlich muss doch gefragt werden, was wir feiern, wenn wir Abendmahl feiern? Doch nicht den Auszug aus Ägypten - dies kann höchstens Teil der Anamnese sein. Mehr aber auch nicht. Es geht um Christus, seinen Kreuzestod und seine Auferstehung - es geht um die soteriologische wie eschatologische Ausrichtung der Mahlfeier, die in Christus, als den Messias und Gottessohn, begründet ist. Die Passionsgeschichte Mt 26,5 sagt aus, dass Jesus vor dem Fest der Juden hingerichtet werden sollte. Demnach hat Jesus mit seinen Jüngern am Abend zuvor nicht das Passahfest gefeiert, sondern höchsten in entfernter Anlehnung an dieses das Abendmahl gestiftet. Wieso feiert man dann am Gründonnerstag das Sedermahl oder vermischt es überhaupt mit dem Abendmahl? Das Abendmahl Jesu und seiner Jünger kann zwar auf Tisch- und Feierformen der Antike zurückgeführt werden, unübersehbar auch auf die Lamm-Symbolik für den Auszug Israels aus Ägypten, aber das Abendmahl ist kein Sedermahl - auch wenn es sich in zeitlicher und symbolträchtiger Nähe befindet. Also, es ist schön davon zu erfahren, wie jüdische Schwestern und Brüder feiern. Aber lassen wir als Christen die Hände davon. Anders ist es, wenn uns die jüdischen Glaubensgeschwister zum Sedermahl einladen, dann feiern wir gern mit ihnen! |