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GUSTAV PARMENTIER GMBH seit 1880 |
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RousselotTM
liefert Gelatine, Gelatinehydolysat bzw. Kollagenhydrolysat bzw. praktisch
geschmack- und geruchloses, kollagenes Eiweiß. |
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Unser
Partner
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Gelatine
Gelatine und ihre molekulare Struktur,
Eigenschaften und Anwendungsgebiete
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Wenn man den Versuch unternimmt, die charakteristischen
Eigenschaften der Gelatine aus dem strukturellen Aufbau ihrer Moleküle
zu deuten, wird man sich zunächst das in Erinnerung zu bringen haben,
was wir über die Zusammensetzung und den Aufbau des Kollagens wissen,
um dann zu diskutieren, mit welchen Strukturänderungen bei der Kollagen-Gelatine-Umwandlung,
je nach der angewandten Methode, zu rechnen ist.
Charakteristisch für die Aminosäuresequenz
des Kollagens ist der relativ hohe Gehalt an Glykokoll, der einzigen seitenkettenfreien
Aminosäure, die mit nahezu 27 % einen extrem hohen Anteil am Gesamtmolekül
ausmacht.
Auch die polaren Aminosäuren, sowohl die sauren, wie Glutamin- und Asparaginsäure,
als auch die basischen, wie Lysin und Arginin, sind mit 18,5 bzw. 15 % reichlich
vertreten. Bemerkenswert ist weiterhin der relativ hohe Gehalt an Prolin
und Oxyprolin von etwa 17 %, was deshalb Beachtung verdient, weil dies die
beiden einzigen Aminosäuren mit sekundär gebundenen Aminogruppen
sind [1]. Nicht im Kollagen enthalten ist das wegen der Sulfhydrylgruppe
sehr reaktionsfähige Cystein. Über die Aminosäuresequenz des
Kollagens sind unsere Kenntnisse noch lückenhaft. Nach Untersuchungen
von Bear, Graßmann und anderen Forschern [2] sollen innerhalb der rd.
1000 Aminosäuren enthaltenden Polypeptidketten geordnete und weniger
geordnete Bereiche existieren. In den geordneten Bereichen sind vorwiegend
die leichten und neutralen Aminosäuren anzutreffen, wie Glykokoll und
Prolin bzw. Oxyprolin, während sich in den weniger geordneten Bereichen
die polaren Aminosäuren häufen sollen. Die Arbeitsgruppe um Graßmann
konnte in den letzten Jahren zeigen, dass fast die Hälfte aller Peptidbindungen
eine Gly-Pro-X-Bindung ist, wobei X im allgemeinen eine leichte Aminosäure
bedeutet [3].
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An dieser Stelle sei schon vermerkt, dass sich Gelatine und Kollagen hinsichtlich
ihrer Aminosäurezusammensetzung nicht voneinander unterscheiden [4].
Auf Grund röntgenographischer Untersuchungen haben Rich und Crick ein
Strukturmodell entwickelt, nach dem die Peptidketten zu weitgestreckten Spiralen,
der Helix, geformt sind, von denen sich drei noch einmal zu einer Überschraube
verdrillen [5]. Die Ganghöhe in der Kollagen-Helix wird mit 8,5 Å
angegeben und die Länge einer Aminosäure mit 2,8 Å. Auf eine
Windung kommen 3,3 Aminosäuren [6]. Aus räumlichen Gründen
müssen die schraubenförmigen Peptidketten so angeordnet sein, dass
das seitenkettenfreie Glykokoll im Innern der Dreikettenschraube liegt, während
die raumbeanspruchenden Fünfringe des Prolins und Oxyprolins ebenso
wie die Seitenketten der schweren und polaren Aminosäuren nach außen
ragen. Innerhalb der Dreikettenstruktur bilden sich quer zur Faserrichtung
Wasserstoffbrückenbindungen aus, die diese verfestigen. Sofern dieses
Strukturmodell der Wirklichkeit nahe kommt, muss man annehmen, dass jede
dritte Aminosäure einer Peptidkette im Innern der Dreikettenschraube
liegt. Hier muss das seitenkettenfreie Glykokoll stehen. Die benachbarten
Positionen können mit jeder beliebigen Aminosäure besetzt sein.
Diese Forderung ist nach den Untersuchungen über die Aminosäuresequenz
allerdings nur für die Neutralbereiche entlang der Peptidkette erfüllt.
Für die polaren Bereiche kann diese Struktur nicht exakt eingehalten
werden.
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Eine Bestätigung hat das Dreiketten-Modell
von Rich und Crick durch die Molekulargewichtsbestimmungen an denaturierten
Kollagenlösungen gefunden. In mit Citrat-Puffer bei 38°C behandelten
Kollagenlösungen konnten mit Hilfe einer Ultra-Zentrifuge drei Fraktionen
nachgewiesen werden, deren Molekulargewichte im Verhältnis 1:2:3 stehen.
Daraus wird gefolgert, dass ein Teil der Kollagenmoleküle in drei einzelne
Peptidketten zerfallen war, von anderen war nur eine Peptidkette abgelöst,
der dritte war völlig erhalten geblieben, da in diesem neben den Wasserstoffbrückenbindungen
noch andere festere Bindungen wirksam sind [7]. Der Grund für den komplizierten
Aufbau einer Dreikettenschraube ist in der drastischen Einschränkung
der freien Beweglichkeit der Peptidketten im Kollagen zu suchen. Nach Pauling
haben die Peptidbindungen zu 40 % Doppelbindungscharakter [8].
Dadurch ist die freie Drehbarkeit der Peptidbindungen,
nämlich die Beweglichkeit jeder dritten Bindung entlang der Peptidkette,
aufgehoben. Zusätzlich wird im Kollagen durch die Anwesenheit von Prolin
und Oxyprolin die Beweglichkeit aus sterischen Gründen weiter eingeschränkt.
Durch den Fünfring wird noch eine weitere Bindung entlang der Peptidkette
fixiert. Somit bleibt nur noch eine Bindung entlang dieser Kette frei beweglich.
Aufgrund der von Boedtker und Doly [9] durchgeführten
physikalisch-chemischen Untersuchungen an Kollagenlösungen können
Dreikettenschrauben mit einer Länge von 2800 Å, deren Durchmesser
mit etwa 14 Å angegeben ist, als eine Einheit aufgefasst werden. Eine
solche Einheit besteht somit aus drei mal 1000 Aminosäuren, wodurch
sich ein Molekulargewicht von rd. 360.000 errechnet. Dieses aus drei verdrillten
Peptidschrauben bestehende, in sich stabilisierte Gebilde wird als Tropokollagenmolekül
oder Protofibrille bezeichnet und kann gewissermaßen als das Monomere
des Kollagens aufgefasst werden . Die bei der Ausbildung der Primärstruktur
auftretenden polaren Bereiche sind je nach dem bevorzugten Einbau von Arginin
und Lysin oder Asparagin- und Glutaminsäure mehr basischer oder auch
saurer Natur. Die Seitenketten tragen an ihren Enden entweder positiv geladene
Ammonium- bzw. Guadiniumgruppen oder negativ geladene Carboxylat-Ionen.
Durch diese Aufteilung der Ladungsschwerpunkte innerhalb der polaren Bereiche
ist es den Tropokollagen-Molekülen möglich, sich mittels elektrostatischer
Anziehung zu Fibrillen zusammenzulagern. Nachträglich erfahren diese
durch Quervernetzung eine zusätzliche Verfestigung, die aus Estern,
zusätzlichen Säureamid- und Wasserstoff-Brückenbindungen bestehen
kann. Die Aggregation der Tropokollagenmoleküle zur Fibrille erfolgt
wegen der charakteristischen Verteilung der Ladungsschwerpunkte durch parallele
Zusammenlagerung, jedes Mal aber um ein Viertel ihrer Länge, d. h. um
etwa 700 Å, gegeneinander versetzt [10]. Diese Einviertelversetzung
der Tropokollagen-Moleküle innerhalb der Kollagenfibrille ist im Elektronenmikroskop
als eine Querstreifenperiode von 700 Å zu erkennen, wobei die hellen
Querstreifen den geordneten Bereichen aus leichten und neutralen Aminosäuren
und die dunklen Querstreifen den ungeordneten Bereichen aus den schweren
polaren Aminosäuren zugeordnet werden. Das Tropokollagen kann nach den
bisherigen Erkenntnissen als chemische Einheit, die aus diesen aufgebaute
Fibrille als die biologische Einheit aufgefasst werden.
Physikalische und chemische Eigenschaften
der Gelatine
Die Gelatine wird vor allem nach ihren physikalischen
Kennzahlen klassifiziert. Das sind die Daten über die Gallertfestigkeit
(6,6%ige Lösung 17 Stunden lang bei 10°C erstarrt), die Viskosität
(10%ige Lösung bei 60°C) und den Erstarrungspunkt (10%iges erstarrtes
Gelatinegel). Ebenso wichtig sind die Bestimmung der Klarheit, der Farbe
und der Leitfähigkeit sowie die Prüfung auf andere geringfügige
Verunreinigungen. In der Praxis der Gelatineverarbeitung ist daneben oft
auch die Erstarrungszeit einer Gelatinelösung von Bedeutung. Darunter
wird die Zeit verstanden, in der eine Gelatine zum Gel zu erstarren beginnt
[18]. Obwohl bisher ein direkter Zusammenhang der Viskosität, der Gallertfestigkeit
und des Erstarrungspunkts mit der Struktur das Molekülaufbaues und der
Molekülgröße noch nicht nachgewiesen wurde, kann man nach
den Erfahrungen an anderen Hochpolymeren annehmen, dass die Viskosität
unmittelbar von der Größe der jeweils vorliegenden Gelatinemoleküle
abhängt. Dagegen ist die Gallertfestigkeit an eine spezielle Fähigkeit
des Gelatinemoleküls, reversibel intermolekular Wasser aufzunehmen,
gebunden, die vom strukturellen Aufbau des Moleküls abhängt, aber
nur bedingt von dessen Kettenlänge, d. h. sie ist in erster Annäherung
von dieser unabhängig. In der Praxis bedeutet das, dass es Gelatinechargen
gibt, die extrem hohe Viskositäten, aber niedrige Gallertfestigkeiten
aufweisen; umgekehrt gilt dasselbe. Einige Beispiele sind in Tabelle 2 aufgeführt.
T
a b e l l e 2
Gallertfestigkeit, Viskosität und Erstarrungspunkt von Gelatinechargen.
Sud-Nr. Gallertfestigkeit Viskosität Erstarrungspunkt [Bloomgramm] [Millipoise] [°C]
907/94 235 140 27,9 1002/120 228 122 26,9 1042/70 270 107 26,8 999/61 I 6 223 61 25,3 1083/150 270 84 25,5 1728/131 158 82 23,8
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Auch das Verhalten von Gelatinegallerten
nach einer Gammabestrahlung mit niederer Dosis weist darauf hin, dass Gallertfestigkeit
und Viskosität nicht miteinander zusammenhängen. Parallel mit einer
Viskositätsaufbesserung und Erhöhung der Erstarrungspunkte erniedrigt
sich die Gallertfestigkeit [19]. Das Vermögen von Gelatinelösungen,
in einem weiten Konzentrationsbereich (1-50%) temperaturreversible Gallerten
zu bilden, ist eine bemerkenswerte Erscheinung, die bisher noch nicht ganz
aufgeklärt werden konnte. Diese ständige Bereitschaft zur Gallertbildung
setzt eine große Anzahl von reaktionsbereiten Nebenvalenzbindungskräften
voraus, die sich aber durch geringe Energiezufuhr in Form einer leichten
Erwärmung wieder aufheben lassen. Es ist anzunehmen, dass die Gelierung
auf einer allmählichen Ausbildung eines Wasserstoffbrückenbindungensystems
beruht. Dafür spricht auch die relativ lange Zeit von etwa 15 bis 18
Stunden, die erforderlich ist, bis eine Gallerte ihre Endfestigkeit erreicht
hat. Die Tatsache, dass Gelatinegallerten Röntgendiagramme ergeben,
deutet auf eine homogene Struktur des Gelatine-Wasser-Systems hin, an der
die Wasser- und Gelatinemoleküle gleichwertig beteiligt sind, d. h.
die Gelatinegallerten weisen einen bestimmten Ordnungsgrad auf. Die Röntgendiagramme
von Kollagen und Gelatinegallerten zeigen Kristallstruktur und unterscheiden
sich nicht voneinander. Sie lassen die Annahme zu, dass die Gallerte einer
Gelatinelösung auf das Bestreben zurückzuführen ist, den Ordnungszustand
der ursprünglichen Kollagenstruktur wieder anzunehmen. Die nach dem
sauren Verfahren gewonnenen Gelatinen unterscheiden sich von den nach dem
kalkalkalischen Aufschluss erhaltenen vor allem in der Lage des isoelektrischen
Punktes 1). Bei einer sauren Aufbereitung bleiben die seitlichen Säureamidgruppen
der Glutamin- und Asparaginreste erhalten. Solche Gelatinen zeichnen sich
durch einen isoelektrischen Punkt im ph-Bereich 8,5 bis 9 aus. Dagegen entstehen
während des kalkalkalischen Aufschlusses des Kollagens durch Amoniakabspaltung
aus den freien Säureamidgruppen Carboxylgruppen. Dieser Verlust der
Säureamidgruppen führt zu einer Verschiebung des isoelektrischen
Punktes zum pH 4,8 bis 5.
Die nach dem sauren Verfahren sorgfältig
hergestellten Gelatinen weisen in ihrer Viskosität, Gallertfestigkeit
und ihren Erstarrungspunkten bessere Kennzahlen auf als die kalkalkalisch
aufgeschlossenen Gelatinen. Das ist verständlich, da, chemisch betrachtet,
in den ersteren ein vollständigeres und weniger denaturiertes Proteinmolekül
vorliegt, das somit dem nativen Kollagen näher steht. Für eine Gelatineverarbeitung
ist zu berücksichtigen, dass sauer und kalkalkalisch aufgeschlossene
Gelatinen möglichst nicht miteinander vermischt werden sollen. Die aus
solchen Mischungen hergestellten Gelatinen sind sehr stark kolloidal eingetrübt.
Diese Trübungen treten um so stärker in Erscheinung, je geringer
die Gelatinekonzentration einer solchen Gallerte ist. Einprozentige Gelatinelösungen
sind in dem entsprechenden Mischungsverhältnis bis zur Undurchsichtigkeit
eingetrübt, oberhalb einer 3%igen Konzentration sind die Gallerten wieder
fast wasserklar (s. Tabelle 3).
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Tabelle 3
Mischungs-
verhältnis%
RindG SchwG |
Trübung in 1%tiger
Lösung |
Trübung in 2%tiger
Lösung |
Trübung in 3%tiger
Lösung |
Trübung in 5%tiger
Lösung |
Isoelektrischer Punkt
(pH) |
0 : 100 |
0,25 |
0,25 |
0,25 |
1 |
8,2 |
10 : 90 |
0,25 |
0,25 |
1 |
1 |
7,56 |
20 : 80 |
0,25 |
1 |
1 |
1 |
6,7 |
30 : 70 |
0,25 |
1 |
1 |
1,5 |
6,61 |
40 : 60 |
1,25 |
1,25 |
1,25 |
1,25 |
5,92 |
50 : 50 |
2 |
1,5 |
1,25 |
1,25 |
5,5 |
60 : 40 |
6 |
3,5 |
1,5 |
1,25 |
5,28 |
70 : 30 |
6 |
5,5 |
2 |
1,25 |
5,08 |
80 : 20 |
6 |
5 |
1,75 |
1,25 |
4,93 |
90 : 10 |
3,25 |
2,5 |
1,5 |
1,25 |
4,86 |
100 : 0 |
1,25 |
1,27 |
1,25 |
1,25 |
4,76 |
Die Skala ist geeicht von farblos wasserklar = 0,25 bis undurchsichtig weißtrüb
= 6
Die Trübungsmessung erfolgte in 100 ml Jenaer Bechergläser |
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Wie aus Tabelle 3 ersichtlich, treten solche
Trübungen schon beim Anteil unterhalb 10% sauer gearbeiteter Gelatine
auf, Mit zunehmendem Gehalt, bis zu 40 bis 50%, werden sie intensiver. Diese
Trübungen sind auf Grund des entgegengesetzten Elektrolytverhaltens
der alkalisch und sauer aufbereiteten Gelatine als beginnende Ausflockungen
zu deuten. Entsprechend verschieben sich die isoelektrischen Punkte. Mit
zunehmendem Anteil der kalkalkalisch gearbeiteten Gelatine fallen die IEP
von ph 8,2 bis zu 4,76. Im Vergleich zum Mischungsverhältnis erfolgt
der Abfall nicht linear, sondern bis zu 50% der kalkalkalischen Komponente
stärker, als anteilsmäßig zu erwarten ist. Darüber hinaus
fällt der IEP nur noch langsam bis zum Eigenwert der reinen, kalkalkalisch
aufbereiteten Gelatine. Die durch die isoelektrischen Punkte angezeigten
entgegengesetzten Ionenladungen der verschieden aufgearbeiteten Gelatinen
äußern sich auch im Verhalten gegen grenzflächenaktive Substanzen
Küntzel und Le Nénaon konnten nachweisen, dass mit verdünnten
Netzmitteln versetzte wässrige Gelatinelösungen im pH-Bereich 6
bis 7 Ausfällungen ergeben. Und zwar treten die Fällungen auf, wenn
Gelatinen mit dem IEP zwischen 8 und 9 mit anionaktiven und die mit einem
IEP von 4,8 bis 5 mit kationenaktiven Tensiden zusammengebracht werden [20].
Besonders eignen sich Tenside mit einer aus 10 bis 14 C-Atomen bestehenden
Kohlenwasserstoffkette. Nichtionogene Tenside rufen keine Ausflockungen hervor.
Die Fällungen kommen dadurch zustande, dass eine alkalisch aufgeschlossene
Gelatine (IEP pH 4,8-5) im pH-Intervall 6 bis 7 partiell anionisch und eine
sauer aufgeschlossene (IEP pH 8-9) partiell kationisch reagiert. Durch diesen
Ladungsausgleich zwischen Gelatine und Netzmittel wird die Überschussladung
der Gelatine kompensiert, und sie wird wieder isoelektrisch. Parallel mit
dem Ladungsausgleich werden zwangsläufig Kohlenwasserstoffreste an das
Gelatinemolekül angelagert und damit nach Pankhurst [21] eine zusätzliche
Hydrophobierung herbeigeführt.
Anwendungsgebiete der Gelatine
Die Lebensmittelindustrie, die Pharmazeutische
und in den letzten Jahren zurückgehend die Photoindustrie haben den
größten Gelatinebedarf. Unter den Lebensmitteln sind heute die
Süßwaren und da wiederum die Fruchtgummis die bedeutendste Produktgruppe,
bei denen Gelatine eingesetzt wird. Daneben dient sie zur Veredelung von
Nahrungsmitteln, z. B. bei der Zubereitung von Dosenschinken, Sülzen,
Nachspeisen und der Herstellung von Fischgelees aller Art. Zur Erzeugung
von Schaummassen und Kaubonbons ist sie ebenfalls ein immer noch unentbehrlicher
Bestandteil. Für die Verarbeitung der Gelatine zu bestimmten Pharmazeutika
und als Photoemulsionsgelatine werden nur nach genau festgelegten physikalischen
und chemischen Daten geprüfte Chargen ausgewählt, so z.B bei Plasmaersatzmittel
auf Gelatinebasis. Die bei plötzlichen starken Blutverlusten auftretenden
gefährlichen Schocks können durch Zufuhr solcher Blutersatzmittel
vermieden werden. Mittels thermisch-alkalischer Hydrolyse wird die Gelatine
bis zu einem bestimmten Grad abgebaut, anschließend werden die immer
noch linearen Proteinmoleküle zu verzweigten Makromolekülen vernetzt.
Die Vernetzung kann so beeinflusst werden, dass die für eine gewünschte
Verweilzeit des Blutersatzmittels im Organismus erforderliche Molekülgröße
von rund 15.000 erreicht ist. Ein anderes wertvolles Produkt sind in der
Medizin die Gelatinetampons. Sie haben den Vorzug, im Gewebe reaktionslos
einzuheilen und innerhalb von vier bis sechs Wochen resorbiert zu werden,
ohne eine Antigenwirkung auszuüben. Das Herstellungsprinzip ist recht
einfach. 5- bis 6%ige Gelatinelösungen werden mit einem geeigneten Vernetzungsmittel
ein wenig oberhalb der Erstarrungstemperatur zu Schaum geschlagen, der dann
nach der Erstarrung im Luftstrom getrocknet wird. In sehr großen Mengen
wird die Gelatine zur Weich- und Hartkapselfabrikation eingesetzt. Die Gelatine
dient hier zur Umhüllung und Verpackung von genau dosierten Arzneimitteln,
Vitamin- und Hormonkonzentraten, ätherischen Ölen, Geschmacksstoffen,
öligen Fetten u. a. Dafür werden Gelatinelösungen im erforderlichen
Verhältnis mit Weichmachern und Konservierungsmitteln versetzt und zu
Kapseln geformt, deren Volumen von weniger als 0,1 bis 30 cm3
variiert werden kann. Diese Art der Dosierung und Verpackung von Arzneien
bietet die Möglichkeit, dem Patienten oral Medikamente zu verabreichen,
die im Magen normalerweise verdaut werden, durch Härtung der Gelatinekapsel
bzw. magensaftresistender Umhüllung diesen aber ohne Abbau passieren,
um dann erst im Dünndarm aufgeschlossen zu werden.
Bei dem Einsatz der Gelatine als Grundsubstanz
für Blutersatzmittel, der Verarbeitung zu Tampons und Gelatinekapseln
wird einmal die nahe Verwandtschaft des Gelatineproteins zum körpereigenen
Eiweiß, zum anderen ihre leichte chemische Veränderung durch Vernetzungsagenzien
ausgenutzt.
Ein weiterer Verwendungszweck ist mit der
Herstellung gelatinestabilisierter Vitamin-A-Präparate erschlossen worden.
Ein Verfahren beruht darauf, dass das Vitamin A zusammen mit Antioxydantien
in einer warmen wässrigen Gelatinelösung feinst emulgiert wird.
Nach Zugabe von Weichmachern und einer pH- und Viskositätseinstellung
wird die noch warme Emulsion in Öl durch Versprühen oder Einrühren
dispergiert. Das Öl hält die einzelnen Tröpfchen voneinander
getrennt und verhindert das Zusammenfließen zu groben Partikeln. Während
des Abkühlens gelieren die Gelatineteilchen, werden formbeständig
und können isoliert werden. Die Gelatine wirkt hier als Schutzkolloid
und durch ihre reduzierenden Eigenschaften (NH2-Gruppen) auch
als Antioxydans. Auch bei der Tablettenherstellung wird Gelatine immer noch
wegen ihrer guten Bindeeigenschaft als Granuliermittel eingesetzt - besonders
bei gut löslichen Wirkstoffen. Hier verhindert es die schnelle Auflösung
an der Tablettenoberfläche und erlaubt so, daß Wasser für
den Tablettenzerfall schneller in den Kern gelangen kann.
Einen weiteren Anwendungsbereich findet
die Gelatine nach wie vor in der Photo- und Papierindustrie. Sie dient hier
als Trägermaterial für die lichtempfindlichen Silberhalogenide.
Quellvermögen, Schutzkolloidwirkung und Reifevermögen sind die
Eigenschaften, die die Gelatine zur Fabrikation von Filmen jeder Art prädestinieren.
Kein noch so elegantes, patentiertes Verfahren, welches den Einsatz von synthetischen
Hochpolymeren vorsieht, konnte die Gelatine bis jetzt aus dem Emulsionssektor
verdrängen. Durch das Quellvermögen der Gelatine können die
Photographischen Bäder in die lichtempfindliche Schicht eindringen und
die löslichen Reaktionsprodukte leicht entfernt werden. Damit war eine
Entwicklung lichtempfindlicher Schichten - d. h. eine Reduktion der vorher
belichteten Stellen der Halogensilberschicht - überhaupt erst möglich
geworden.
Bei der Emulsionsherstellung werden KCl-(KBr)-Lösung
und eine Gelatinelösung mit einer AgNO3-Lösung zusammengebracht.
Die Gelatine als Schutzkolloid bewirkt, dass der entstehende Niederschlag
von unlöslichem Halogensilber in feinverteiltem Zustand in der Lösung
suspendiert bleibt. Bei Abwesenheit von Gelatine würde sich der Halogensilberniederschlag
zusammenballen und absetzen. Im Jahre 1887 entdeckte Bennet, dass die Lichtempfindlichkeit
einer Emulsion auf das 180.000fache gesteigert werden kann, wenn man sie
einer Wärmebehandlung unterzieht. Durch Ammoniak und überschüssiges
Kaliumbromid wird dieser Effekt noch begünstigt. Dieses Reifevermögen
tritt nur bei Gelatineemulsionen auf, nicht etwa bei Kollodium- oder Albuminemulsionen.
Die Gelatine ist hiernach maßgeblich am Reifevorgang beteiligt und
bestimmt die Lichtempfindlichkeit der photographischen Schicht. Außerdem
beeinflusst die Gelatine die Korngrößenverteilung und damit die
Gradation: gleichgroße Körner - steile Gradation - kontrastreich
- hart arbeitende Schicht, ungleiche Korngröße - flache Gradation
- kontrastarm - weich arbeitende Schicht.
Daneben eignet sich die Gelatine zur Oberflächenbehandlung
von noch nicht beschichteten Filmen oder Photopapieren. Wird Gelatine mit
Phthalsäure oder Salicylsäure verestert, so lässt sie sich
zu Substratgelatine modifizieren. Sie erhält dadurch zusätzlich
hydrophobe Eigenschaften und ist z. B. in einem Methanol-/Aceton-Gemisch
löslich. Auf diese Weise ist sie als Haftvermittler zwischen sehr glatten
Flächen, wie Celluloseacetatfilmen, und der eigentlichen, die lichtempfindliche
Substanz tragenden Gelatineschicht gut geeignet.
Barytage-Gelatine, mit Zusatz von Al- oder
Ba-Sulfat, ist notwendig, um die Papieroberflächen zu glätten und
zu schließen. Eine Verbesserung der Bedruckbarkeit wird damit erreicht.
Für Photopapiere müssen die Gelatinen besonders ausgesucht sein,
da sie weder zum Gelb- noch zum Grauschleier neigen dürfen. Mit einer
geringen Formaldehydzugabe werden diese Gelatineschichten ausgehärtet
und konserviert.
Schlussbemerkung
Der Gelatine erschließen sich trotz
vieler synthetischer hochpolymerer Produkte mit ähnlichen Eigenschaften
immer noch neue Anwendungsgebiete. Das verdankt sie ihrer Fähigkeit,
unter Aufnahme von sehr großen Mengen Wasser temperaturreversible,
wasserklare Gallerten zu bilden, ihrer leichten chemischen Abwandlung durch
Hydrolyse oder durch bestimmte Vernetzungsagenzien sowie ihren kolloid-chemischen
Eigenschaften und ihrer stabilisierenden Wirkung auf andere luftempfindliche
Substanzen, wie Vitamine oder Pflanzenfarbstoffe. Bisher ist es noch nicht
gelungen, hochpolymere Substanzen zu produzieren, die alle Vorzüge der
Gelatine im gleichen Maße in sich vereinigen.
L i t e r a t u r
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