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Von B. Grouber und W. Parmentier

Zusammenfassung: Die Theorie der komplexen Koazervierung wird erörtert und der Einfluß verschiedener Gelatinesorten auf den Trockenrückstand und auf die Ausbeute des Koazervates untersucht. Die besten Resultate ergeben sich beim Gelatine/Gummi Arabicum-System dann, wenn eine sauer aufgeschlossene, demineralisierte Gelatine aus Schweineschwarten mit hoher Gallertfestigkeit und Viskosität eingesetzt wird. Weiterhin werden zwei modifizierte Gelatinesorten vorgestellt und ihre Brauchbarkeit, Koazervate zu bilden, aufgezeigt.

Summary: The theory of complex coacervation is discussed and the influence of different types of gelatin on the loss on drying and on the result of the coacervate examined. The best results by the gelatin/accacia system will be given, if anacid treated, demineralized pig skin gelatin with high gelly strength and viscosity is used. Furthermore, modified types of gelatin are presented and their usefullness for forming coacervates is shown.


I. - THEORIE DER KOAZERVIERUNG

1.1. Allgemeines

Im Jahre 1930 haben zwei holländische Chemiker, Kruyt und Bungenberg de Jong, ein Phänomen entdeckt und beschrieben, welches bei wässrigen, kolloidalen Lösungen zu beobachten ist: wenn man einer kolloidalen Gelatinelösung massiv eine andere kolloidale Lösung entgegengesetzter elektrischer Ladung - beispielsweise Gummi Arabicum - zusetzt, kann man einen konzentrierten, makromolekularen Anteil ausfällen. Setzt man aber die zweite Lösung vorsichtig zu, so ist zu beobachten, daß sich kleine Tröpfchen bilden, die aus einem Komplex Gelatine/Gummi arabicum bestehen, während die übrige Lösung immer ärmer an Polymeren wird. Dieses Phänomen bezeichnet man als komplexe Koazervierung (lateinisch co : zusammen, acervus : Anhäufung). Daneben gibt es die einfache Koazervierung, bei der schon ein Kolloid allein durch Veränderung bestimmter Parameter das Phänomen der Phasenseparation zeigt.

Ursache für die Absonderung von Kolloiden aus einer klaren Lösung ist jeweils die gleiche: stark hydratisierte Kolloidmoleküle werden durch Änderung bestimmter Parameter in ihrem Hydratationsgrad beeinflußt. Sie werden weniger löslich.


1.2. Komplexe Koazervierung

Bei der komplexen Koazervierung wird ausgenutzt, daß manche in Wasser (oder jedem anderen polaren Lösungsmittel) gelösten Kolloidmoleküle aufgrund der Dissoziation saurer oder basischer Gruppen eine elektrische Ladung besitzen. Dies führt einmal dazu, daß zwischen gleichsinnig geladenen Molekülen eine Abstoßung besteht, andererseits werden aufgrund der Ladung mehr Wassermoleküle gebunden als bei ungeladenen Kolloiden. Die Hydratisierbarkeit bei diesen Kolloiden ist also entscheidend auch von der Ladung abhängig.

Fügt man in saurem Milieu zu Gelatine ein zweites Kolloid mit entgegengesetzter Ladung hinzu, so ziehen sich die positiv geladenen Gelatine- und die negativ geladenen (z.B. Gummi arabicum-) Moleküle an. Dabei kompensieren sich die entgegengesetzten Ladungen mehr oder weniger und es kommt damit zwangsläufig zu einer verminderten Anziehung der Wassermoleküle, d.h. zu einer verminderten Hydratisierung. Es bilden sich kleine Tröpfchen eines komplexen Kolloides, das aber noch stark wasserhaltig ist, da die vorher stärker gebundenen Wassermoleküle bei schonendem Vorgehen noch (schwach) gebunden bleiben. Allgemein ist für ein bestimmtes System (Temperatur, Konzentration, pH) dann die geringste Hydratisierung vorhanden, wenn die positiven und negativen Ladungsmengen sich entsprechen, so daß nach außen hin keine Ladung vorhanden ist.

Wie bei anderen Elektrolyten ergibt sich die Ladung eines hydrophilen Kolloids durch die Dissoziation seiner sauer oder basisch wirkenden Gruppen. Dies sind normalerweise Carboxyl- bzw. Amino-Gruppen. Die Ladungsmenge ist umso größer, je mehr Gruppen dissoziieren, je stärker also der Dissoziationsgrad wird. Durch Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die elektrolytische Dissoziation läßt sich folgern, daß umso mehr saure Gruppen dissoziiert sind, je basischer der pH der Lösung gemacht wird. Je nach dem, wie leicht die Amino- und Säure-Gruppen Protonen aufnehmen bzw. abgeben, d.h. dissoziieren, liegen bei stärker saurem pH noch Carboxylgruppen bzw. bei stärker basischem pH noch Aminogruppen nennenswert dissoziiert vor. Eine Kennzahl dafür ist die Dissoziationskonstante bzw. der mit -1 multiplizierte Logarithmus davon, der pK-Wert. Ist der pH-Wert einer Lösung gleich dem pK-Wert, so ist die Zahl der undissoziierten Moleküle (bei idealer Verdünnung) gleich der Zahl der dissoziierten.

Bei hochmolekularen Verbindungen wie Kolloiden ist es nicht so leicht möglich, pK-Werte anzugeben. Gelatine ist zudem amphoter, da sowohl Amino- als auch Carboxylgruppen im Molekül vorhanden sind. Bei den 17 in Gelatine vorkommenden Aminosäuren wurden pK-Werte für die Säuregruppe gefunden, die zwischen 1,8 - 2,5 liegen. Für die Aminogruppe wurden pK-Werte von 9,0 - 9,8 gemessen.

Zum Verständnis der Dissoziationsverhältnisse bei amphoteren Molekülen sei eine Aminosäure betrachtet, die nur eine Carboxyl- und eine Aminogruppe enthält. Ein Beispiel dafür ist Glykokoll, das zu ca. 27% in Gelatine enthalten ist. Glykokoll hat einen pK-Wert der Säuregruppe von 2,5 und der Aminogruppe von 9,5. Trägt man den Verbrauch an HCl bzw. NaOH gegen den pH-Wert der Lösung auf, ergibt sich für Glykokoll eine Titrationskurve, die in Abb. 1 wiedergegeben ist.


Abb. 1 : Titrationskurve von Glykokoll

An dem mit I.E.P. bezeichneten Punkt, dem isoelektrischen Punkt, ist die positive Ladung von Glykokoll (durch die Protonierung der NH2-Gruppe hervorgerufen) gleich der negativen Ladung (durch die Dissoziation der COOH-Gruppe). Das Aminosäuremolekül reagiert also neutral, in einem elektrischen Feld erfolgt bei einem pH = I.E.P. keine Wanderung der Ionen.

Da Gelatine aus peptidisch zu langen Ketten gebundenen Aminosäuren besteht, besitzt auch Gelatine einen isoelektrischen Punkt. Der vollständige Ladungsausgleich hat bei Gelatine zur Folge, daß die Gelatinemoleküle die dichteste Packung einnehmen können, da die Abstoßungskräfte (der gleichsinnig geladenen Gruppen) dann den geringsten Wert besitzen. Durch das Fehlen einer Ladung nach außen werden auch die Wassermoleküle weniger stark gebunden. Dies beides führt dazu, daß Gelatine am I.E.P. die geringste Löslichkeit besitzt. Man kann dies nachweisen (diese Methode wird zur Bestimmung des I.E.P. von Gelatine benutzt), indem man von der gleichen Gelatine Lösungen mit aufsteigendem pH herstellt und abkühlen läßt. Der pH, bei dem die Trübung, d.h. die Unlöslichkeit am größten ist, entspricht dem I.E.P.

Da neben dem Ladungsausgleich auch die Ladungsmenge für die Hydratisierung entscheidend ist, bildet sich ein um so stärkerer Komplex, je größer die positive und negative Ladungsmenge ist, je dissoziierter also das Kolloid und das Gegenkolloid in der Lösung zuerst vorliegt. Bei Gelatine ergibt sich eine immer stärker positive Ladung, je niedriger der pH der Lösung gemacht wird, da immer mehr NH2-Gruppen dissoziieren. Die Abhängigkeit des jeweiligen Dissoziationsgrades vom pH-Wert sollte bei Gelatine deshalb ähnlich sein wie bei den Aminosäuren (s. Abb 1.). Praktisch konnte bis jetzt aber eine solche Kurve nicht ermittelt werden. Man macht sich zunutze, daß die dissoziierten Moleküle Ladungsträger sind und deshalb in einem elektrischen Feld wandern. Je stärker die Ladung ist, um so größer ist die Wanderungsgeschwindigkeit der Moleküle. In den pH-Bereichen, in denen sich die größten Änderungen der Wanderungsgeschwindigkeit ergeben, müßten deshalb die mittleren pK-Werte der Säure- und Basegruppen des Kolloides liegen. Eine genauere Bestimmung ist jedoch nicht möglich, da die so (unter Berücksichtigung der Viskosität usw.) ermittelte Ladung, das sogenannte Zeta-Potential, nicht allein von den dissoziierten Molekülen, sondern auch z.B. von der Stärke der Hydratation und dem Anteil der Fremdionen abhängt.

Auch weichen die gefundenen isoelektrischen Punkte von verschiedenen Gelatinequalitäten deutlich von der Theorie ab. Entsprechend den oben erwähnten pK-Werten der in Gelatine vorkommenden Aminosäuren müßte der I.E.P. von Gelatine entsprechend der Gleichung

                   pK1 + pK2
------------------- = I.E.P. (Gleichung 1)
2

bei Werten zwischen 5,4 - 6,2 liegen. Dies ist aber nur selten der Fall. Die Werte, die man findet, hängen stark von der Herstellungsart der Gelatine ab. Die am stärksten durch die Herstellung beanspruchte alkalisch aufgeschlossene Knochengelatine hat einen I.E.P. um 5,O. Sauer aufgeschlossene Knochengelatine weist Werte des I.E.P. zwischen 6 und 7,5 auf. Sauer aufgeschlossene Schweineschwartegelatine schließlich besitzt einen I.E.P. zwischen 8 und 9. Diese Abweichungen vom theoretischen Wert des I.E.P. dürften ihre Erklärung darin haben, daß abhängig von der Herstellung eine unterschiedliche Sekundär- und Tertiärstruktur der Gelatine resultiert, die dazu führt, daß NH2- und COOH-Gruppen unterschiedlich ionisierbar sind. Alle Qualitäten besitzen nämlich praktisch dieselbe Aminosäurezusammensetzung, sodaß ein unterschiedlicher Gehalt an sauren Aminosäuren (Asparaginsäure, Glutaminsäure) und basischen Aminosäuren (Arginin, Lysin, Histidin) nicht der Grund sein können.

Da es bei der komplexen Koazervation mit Gelatine auf einen hohen Gehalt an ionisierbaren NH2-Gruppen ankommt, wird der sauer aufgeschlossenen Schweineschwartengelatine meist der Vorzug gegeben, d.h. also den Gelatinen mit hohem I.E.P.

Für die negativ geladenen Gegenkolloide ergibt sich eine Abhängigkeit des Dissoziationsgrades vom pH-Wert, wie sie für Säuren allgemein gelten. Je saurer die Lösung wird, um so weniger COOH-Gruppen werden dissoziiert vorliegen und bei dem pH-Wert, der dem mittleren pK-Wert der dissoziierten Gruppe des Gegenkolloides entspricht, wird sich auch die stärkste Änderung des Dissoziationsgrades und damit der Ladung mit dem pH ergeben.


II. - KOAZERVATION DURCH pH-VERSCHIEBUNG

2.1 Ermittlung des optimalen Koazervierungs-pH

Um den pH-Wert der Polymeren-Lösung zu finden, der die bestmögliche komplexe Koazervation gewährleistet, geht man am besten von einer stark verdünnten 1:1 Mischung von Gelatine und Gegenkolloid aus und senkt dann langsam den pH dieser Lösung. Eine starke Verdünnung ist notwendig, weil nach dem Ostwaldschen Verdünnungsgesetz die Dissoziation nur bei starker Verdünnung maximal ist. Während der pH-Absenkung kann man die Komplexbildung mit einem Trübungsmesser verfolgen. Normalerweise nimmt die Opaleszens bis zu einem bestimmten pH-Wert zu und dann wieder ab (s. auch Abb. 5 und 6). Dieser Verlauf läßt sich damit erklären, daß durch die Absenkung des pH immer mehr NH2-Gruppen der Gelatine dissoziieren und mit den vorhandenen COOH-Gruppen des Gegenkolloides reagieren. Beim Opaleszensoptimum ist dann, wie schon erwähnt, die gleiche positive und negative Ladung vorhanden. Geht man unter diesen pH-Wert, nimmt die Dissoziation der Gelatine-Aminogruppen und damit die positive Ladung zwar weiter zu, der Anteil der dissoziierten COOH-Gruppen des Gegenkolloides verringert sich dagegen. Da der gebildete Komplex nur aufgrund des Ladungausgleiches bestehen bleibt, geht bei einem Ungleichgewicht ein entsprechender Anteil wieder in Lösung. Man kann deshalb durch weitere pH-Absenkung den Komplex wieder ganz in Lösung bringen bzw. durch Anhebung wiederherstellen.


2.2. Ermittlung des notwendigen Kolloidverhältnisses

Zur Bestimmung des Gegenkolloidanteils, der notwendig ist, eine bestimmte Menge Gelatine zu koazervieren, kann man sich der gleichen Meßmethode bedienen. Man stellt die verdünnte Gelatinelösung auf das gefundene Koazervierungs-pH-Optimum ein und tropft langsam eine verdünnte Lösung des Gegenkolloids zu. Die Zunahme der Trübung nähert sich asymptotisch dabei einem Grenzwert. Die Menge des Gegenkolloides, die notwendig ist, um den Grenzwert der Opaleszens zu erreichen, ist zur Koazervierung der vorgelegten Gelatinemenge notwendig. Bei dem Gelatine/Gummi arabicum System beträgt das Verhältnis praktisch 1:1. Setzt man Carboxylmethylcellulose ein, kann schon 1 Teil CMC genügen, um 5 Teile Gelatine zu koazervieren.

Da man aus wirtschaftlichen Gründen bei der Mikroverkapselung nicht mit idealen Verdünnungen arbeiten kann, können die nach den beiden beschriebenen Verfahren gewonnenen Werte bei höheren Konzentrationen gewisse Korrekturen notwendig machen. Der Anteil des eingesetzten Polymers, das koazerviert, sollte bei einem wirtschaftlichen Verfahren nicht wesentlich unter 80 % liegen. Wird dieser Wert nicht erreicht, ist von einer entsprechend verdünnteren Lösung auszugehen. Andererseits kann ein Versuch mit höheren Kolloidkonzentrationen nützlich sein, wenn man Werte erhalten hat, die darüber lagen. Die Kolloidkonzentration liegt normalerweise zwischen 2-15 %.

Eine erhöhte Kolloidkonzentration ist vor allem dann möglich, wenn man dem System kleinere Mengen eines stark negativ geladenen Polymers (z.B. das Mischpolymerisat von Acrylsäure und Methacrylsäure) zusetzt. Bei tiefem pH zugesetzt liefert dies Polymer noch ausreichend negative Ladung, um mit weiteren Gelatinemolekülen zu reagieren. Es handelt sich dabei vor allem um den hochmolekularen Gelatineanteil, denn je längerkettig das Molekül ist, um so geringer ist die Dissoziationskonstante und damit die Ladung der endständigen Aminogruppe.


2.2. Durchführung einer Mikroverkapselung durch komplexe Koazervation mit Gelatine

a) Herstellung der Gelatinelösung

- durch die klassische Methode: Quellung im kalten Wasser und anschließendes Lösen im Wasserbad bei 60°C.


b) Herstellung der Gummi Arabicum Lösung

- entsprechend der unterschiedlichen Patente können die Konzentrationen zwischen 6 und 25 % schwanken. Hinsichtlich des Verhältnisses von Gelatine zu Gummi Arabicum kann man sagen, daß eine Koazervation nicht stattfindet, wenn weniger als 19 % oder mehr als 81 % Gummi Arabicum eingesetzt werden. Nach Bungenberg de Jong soll der optimale Anteil bei 59 % Gummi Arabicum und damit 41 % Gelatine liegen. Aufgrund der einfacheren Dosierung und weil die Ergebnisse praktisch identisch sind, werden normalerweise aber 50 % jedes dieser Polymere eingesetzt.


c) Herstellung der Emulsion (falls es sich um eine Flüssigkeit handelt) oder der Suspension (bei Feststoffen)

- durch Zusatz des zu verkapselnden Produktes zur Gummi Arabicum Lösung. Die Gelatinelösung wird dann unter Rühren zugesetzt.


d) langsame Absenkung des pH, um die Koazervation und Gelierung des Koazervates herbeizuführen.

- durch Zusatz von Essig- oder Salzsäure


e) Härtung der Kapseln mit Form- bzw. Glutaraldehyd, Abtrennung derselben durch Filtration oder Zentrifugation und Trocknung und Siebung der Kapseln.

Das in Schema 1 dargestellte Prinzip illustriert die Aufeinanderfolge der notwendigen Schritte am Beispiel der Verkapselung von Diphenylchlorid. Der Parameter, der hier variiert wird, ist die Konzenentration. Man verdünnt mit Wasser. Die angegeben Mengen entsprechen jenen, die im US-Patent 2.800.457 vom 23.7.1957 von Green und Schleichen (NCR) angegeben worden sind.


Schema eines Mikroverkapselungsprozesses durch komplexe Koazervation.


 

III. UNTERSUCHUNG DES EINFLUSSES VERSCHIEDENER GELATINESORTEN AUF DIE KOAZERVATION

3.1. Versuchsdurchführung

Um die Gelatinesorten zu testen, wurde das Gelatine/ Gummi arabicum-System im Verhältnis 50 : 50 gewählt, wie es in dem Patent der NCR beschrieben ist. Einer Lösung mit 1,6 % Gummi arabicum (20 g aufgelöst in 1.220 ml Wasser) mit einem eingestellten pH von 6,5 wurden 182 g von einer 11 %igen Gelatinelösung zugegeben. Die Mischung wurde bei einem pH von 6,5 bei 55o C gehalten, bis sie vollständig homogen war. Anschließend wurde unter ständigem Rühren fortschreitend der pH gesenkt, indem man 1 N-Salzsäure langsam zufügte. Dadurch wurde die Koazervierung hervorgerufen. Nachdem der Ansatz eine Stunde lang bei 55o C gehalten wurde, ließ man ihn erkalten, um die Gelierung des Kolloids zu erreichen.


3.2. Meßergebnisse und Diskussion

Zur Beurteilung des Ergebnisses der Koazervation wurden zwei Größen herangezogen:

- Trockenrückstand des Koazervates (je höher dieser ist, umso widerstandsfähiger sind die Kapseln und umso leichter ist ihre Abtrennung und Trocknung).

- Ausbeute, die man als Prozentsatz der eingesetzten Kolloidmenge zu der in der koazervierten Phase wiedergefundenen ausdrückt.

In Abb. 2 sind die Kurven wiedergegeben, die für die Abhängigkeit des Trockenrückstandes vom Koazervierungs-pH gefunden wurden.


Abb. 2 : Abhängigkeit des Trockenrückstandes des Koazervates von verschiedenen Gelatinesorten vom Koazervierungs-pH

Man erkennt, daß sich das Koazervierungsoptimum beim Gelatine/Gummi arabicum-System bei einem pH von 3,8 befindet. Dies gilt für gekälkte Gelatinesorten. Bei sauer aufgeschlossenen Schweineschwartengelatinen ist das pH-Optimum etwas höher.


3.2.1. Einfluß der Gallertfestigkeit

Sowohl für alkalisch als auch für sauer aufgeschlossene Gelatinequalitäten läßt sich feststellen, daß der Anteil, der koazerviert, mit Abnahme der Gallertfestigkeit geringer wird.

In Abb. 3 sind die Ergebnisse dargestellt, die mit vier Knochengelatinebouillons aus der Auskochung ein und desselben gekälkten Osseins nacheinander erhalten wurden.


Abb. 3 : Abhängigkeit der Ausbeute von der Gallertfestigkeit der eingesetzten Gelatine.
Die jeweilige Gelierkraft und die dementsprechenden Viskositäten sind in Tabelle I angegeben.


Man kann aus den Ergebnissen einmal folgern, daß eine hohe Gallertfestigkeit beim Gelatine/Gummi arabicum-System günstig ist, um einen hohen Anteil koazervierten Materials zu bekommen. Andererseits zeigt Tabelle I den starken Einfluß der Viskosität. Eine Gelatinequalität mit geringerer Gallertfestigkeit aber höherer Viskosität kann zu ähnlichen Ausbeuten führen.


3.2.2. Einfluß der Viskosität

Daß neben der Gelierkraft auch die Viskosität der eingesetzten Gelatine (die ja direkt in Relation zum Molekulargewicht steht) von großer Bedeutung ist, läßt sich verdeutlichen, wenn man die Trockenrückstände der Koazervate und die (mit Gelatine gleicher Eigenschaft erzielte) Ausbeute unter Berücksichtigung der Viskosität vergleicht. Zwei Schweineschwartengelatinesorten beispielsweise erbrachten Ergebnisse, wie sie in Tabelle II wiedergegeben sind.


Die einzelnen Werte für das Koazervat sind bei gleicher Gallertfestigkeit umso besser, je höher die Viskosität der eingesetzten Gelatine ist.


3.2.3. Einfluß des Gelatineursprungs

Die Erfahrung zeigt, daß man mit Schweineschwarte-Gelatinequalitäten Ergebnisse erzielt, die etwas besser sind als die mit Knochengelatinequalitäten. Dessen ungeachtet ergab sich bei dieser Untersuchung, daß es notwendig ist, daß die Schweineschwarte-Gelatinequalitäten eine hohe Gelierkraft und eine hohe Viskosität aufweisen. Die beiden unteren Kurven entsprechen hier Gelatinequalitäten von 240 - 250 Bloom mit niedriger Viskosität (37 - 39 mps) .


Abb. 4 : Einfluß des Gelatineursprungs auf die Ausbeute


3.2.4. Einfluß der Demineralisierung

Um den Einfluß der Demineralisierung zu studieren, wurde die Ausbeute der gleichen Gelatinesorte vor und nach der Demineralisierung verglichen. Deutliche Unterschiede zeigen sich vor allem bei der zweiten und dritten Bouillon einer gekälkten Knochengelatine wie Tabelle III zeigt:


Man kann feststellen, daß bei niedrigem Aschegehalt die Ergebnisse deutlich besser sind, obwohl die Viskosität durch die Demineralisierung leicht vermindert wurde. Dabei ist vor allem entscheidend, daß der Anteil der Erdalkali-Ionen, d.h. der Kationen, möglichst gering ist. Negative Ionen wie Sulfat und Chlorid sind eher tolerierbar. Kleine Mengen davon begünstigen u.U. sogar den Prozess.


3.2.5. Mitbeeinflussende Faktoren bei der Herstellung von Mikrokapseln

Im Zusammenhang mit den oben erwähnten Resultaten wurden verschiedene Verkapselungsversuche gemacht und aus den Untersuchungen folgende Schlüsse gezogen:

Bei der Herstellung einer Emulsion des zu verkapselnden Produktes hängt die Tröpfchengröße von folgenden Faktoren ab:

- die Viskosität der Gelatinelösung, d.h. dementsprechend von deren Temperatur und Konzentration. Je höher die Viskosität ist, umso stabiler ist die erzielte Emulsion. Falls die Viskosität zu gering ist, ist es nicht möglich, Mikrokapseln in größerem Umfang zu erhalten.

- dem Rühren im Reaktionsgefäß: die Geschwindigkeit muß ausreichend schnell sein, um das Produkt in Suspension zu halten. Je höher sie ist, umso feiner sind die erzielten Tröpfchen und umso regelmäßiger. Falls man das Produkt auf einmal zugibt, erhält man Mikrokapseln mit größerem Durchmesser. Andererseits kann es vorkommen, daß, wenn die Rührbewegungen zu stark sind, die Wanddicke nicht regelmäßig ist (runde Tröpfchen sind vor einer elipsenförmigen Kapselwand umgeben). Das Phänomen kann auch bei festen Partikeln auftreten.

- der Dichte des zu verkapselnden Produktes. Eine Emulsion mit einem Produkt höherer Dichte als der Gelatinelösung läßt sich leichter realisieren. Bei geringer dichten Produkten, die Verkapselt werden sollen, können die Tropfen an der Oberfläche bleiben, und sich mit dem Schaum vermischen, so daß ihre Rückgewinnung schwierig wird.

- der Dicke der Kapselwand. Die Dicke der Kapselwand schwankt abhängig vom gewählten Koazervierungsverfahren (Verdünnung, Senkung des pH's, usw.).

- Waschen der Mikrokapseln. Man muß das Waschen mit sehr kaltem Wasser durchführen, um nicht die Wand anzulösen und um zu verhindern, daß die Mikrokapseln zusammenkleben. Bis zur Trocknung sollten sie deshalb auch im Kühlschrank gelagert werden.


3.2.6. Verwendung modifizierter Gelatinequalitäten

Unter Berücksichtigung der Struktur der Peptidketten können folgende Kategorien modifizierter Gelatinequalitäten erhalten werden:

a) durch Reaktion der Säuregruppen: Beispiel: mit Äthylenoxyd : Hydroxyläthylester Gelatine

b) durch Reaktion der Aminogruppe : Beispiel: mit Essigsäureanhydrid : Acetylierte Gelatine, mit Phthalsäureanhydrid : Phthalierte Gelatine

c) durch Reaktion der beiden Gruppen gleichzeitig: Beispiel: Phthalsäure Anhydrid und Äthylenoxyd

Für alle diese Möglichkeiten und die zahlreichen Versuche, die durchgeführt wurden, sollen zwei bezeichnende Beispiele angeführt werden, bei denen modifizierte Gelatinequalitäten bei der Koazervation nennenswerte Ergebnisse gebracht haben. Bei beiden Gelatinequalitäten wurde die Aminogruppe modifiziert.

Ein Versuch wurde vom US Patent 33 17.434 inspiriert, das von der ARMOUR Gesellschaft angemeldet wurde. Bei diesem Verfahren ist es notwendig, demineralisierte Gelatinequalitäten am isoelektrischen Punkt zu verwenden, wobei eine Schweineschwartengelatine (isoelektrischer Punkt 9,0) mit einer gekälkten Knochengelatine (isoelektrischer Punkt 5,05) koazerviert wird. Die Kenntnis dieses Verfahrens hat uns veranlaßt zu versuchen, eine Mischung aus Schweineschwartengelatine und succinylierter Gelatine zu koazervieren. Succinylierte Gelatine hat einen sehr niedrigen isoelektrischen Punkt (4,0) und wird hergestellt durch Reaktion mit Bernsteinsäureanhydrid.

Zur Koazervierung wurde eine Mischung von 50 : 50 der beiden Gelatinequalitäten benutzt, die vorher einzeln in einer geringen Konzentration (2 %) gelöst wurden. Unter diesen Bedingungen betrug der Trockenrückstand des Koazervates 11,5 %. Um den koazervierten Gelatineanteil zu erhöhen, wurde versucht, Isopropylalkohol der Mischung zuzugeben, nachdem sich die Mikrokapseln schon gebildet hatten. Dabei ergab sich eine Erhöhung des Trockenrückstandes auf 12,5 %. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch den Zusatz von Alkohol das Risiko der Diffusion des verkapselten Produktes durch die gelierte Wand größer ist.

Weiterhin wurden Versuche mit N-Phenyl-Carbamyl-Gelatine durchgeführt, die durch Umsetzen mit Phenylisocianat erhalten werden kann. Diese Gelatine, die aus gekälkter, demineralisierter Knochengelatine mit hoher Gelierkraft hergestellt wurde, besitzt die Eigenschaft, allein zu koazervieren, d.h. ohne Zumischung von Gummi Arabicum oder anderen Kolloiden. Dies läßt sich erreichen durch einfaches Senken des pH's. Dabei erhält man einen sehr hohen Trockenrückstand, der höher ist als bei den Schweineschwarten-Gelatinequalitäten, die bestmöglich demineralisiert wurden. So wurde bei einer Gelatine mit 264 Bloom, 50 mps, zu 98 % modifiziert, bei einem pH-Optimum von 4,3 ein Trockenrückstand von 27 - 28 % erhalten, d.h. fast zweimal mehr als bei den Mischungen Schweineschwartengelatine und Gummi Arabicum. 27 - 28 % Trockenrückstand entsprechen einem Polymeranteil von 94 %, der koazerviert wurde.

Die Koazervierung dieser Gelatine dürfte mit der Präsenz von aromatischen Kernen, die die Löslichkeit vermindern, zusammenhängen. Da die Löslichkeit am isoelektrischen Punkt ein Minimum hat, ist es möglich, eine maximale Koazervierung zu erzielen, indem man fortschreitend den pH senkt und so diesen Wert erreicht.

Naturgemäß lassen sich mit N-Phenyl-Carbamyl-Gelatine hergestellte Kapseln nicht gerben, weil die Aminogruppen blockiert sind und somit nicht mehr mit den Aldehyden reagieren können. Deshalb wird diese Gelatine hauptsächlich dann angewandt, wenn eine große Verträglichkeit gegenüber Aromen, die oft aldehydische Gruppen tragen, gewünscht wird.

Erwähnt sei, daß N-Phenyl-Carbamyl-Gelatine nicht in Nahrungsmitteln eingesetzt werden kann, während die succinylierte Gelatine von der Food und Drug Administration am 24.11.1968 für die Mikroverkapselung von aromatischen Ölen erlaubt wurde.


REFERENCES

1 - Bungenberg de Jong, H. G. - Colloid Science II, édité par H. R. Kruyt, pages 232-480 - Elsevier Publishing Company Inc. New York 1949.

2 - Green et Schleicher - US Patent 2.800.457 - 23.7.57 (NCR)

3 - Saleh A. H. Khalil, J. R. Nixon et J.E. Carless - J. Pharm. Pharmac. 1968 - 20. pages 215-225.

4 - Arthur Veis, S. et J. Cohen, C. Aranyi - US Patent 3.317.434 - 2.5.67 (Armour)




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  Herstellung von Gelatine

  wichtige Kennzahlen von Gelatine

  Arzneibuchspezifikationen

  Gelierkraftverlust durch pH/Temperatur

  Literaturübersicht (bis 1980)

  Hydrokolloide in Milcherzeugnissen



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